Epilogus

Wir haben oben in der Compilation eines Leubusser Mönchs aus der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts eine der Quellen kennen gelernt, welche der Verfasser der Chronica principum Poloniae 1384 oder 1385 benutzt hat. Eine andere Quelle, welche Stenzel nur in entstellter Form gekannt hat, kann ich jetzt vervollständigen.
Für die Bekehrung des Königs Geisa von Ungarn durch seine Gemahlin Adelheid, die Schwester des Herzogs Mesco von Polen, wird (SS. Siles. I, 47) eine Chronik angeführt, in welcher Stenzel richtig das von ihm (ib. p. 33 ss.) herausgegebene Breve Chronicon Silesiae erkannte. Aber S. 56 wird wieder eine Chronik angeführt, welche bisher nicht zu finden war; im Breve Chronicon steht nichts davon. Dennoch ist auch an dieser Stelle keine andere Chro¬nik gemeint als in der vorigen. Das Breve Chronicon enthält nämlich die einheimischen schlesischen Annalen, welche mit dem Jahre 1238, mit dem Tode Heinrichs I. beginnen, und das vorhergehende Stück, welches damit gar keine Verbindung hat, ist ausdrücklich als Auszug aus der Polnischen Chronik bezeichnet. Dieser Auszug aber ist sehr unvollständig, und ich kann denselben jetzt correcter und umfassender aus einer anderen Handschrift vorlegen, aus dem Todtenbuch des Klosters Kamenz (MS. Bibl. Univ. IV. fol. 216).
Am 25. Juni 1405 wurde Kamenz von einer unerhörten Ueberschwemmung heimgesucht, welche sogar in die Truhe (capsella) des Kapitels eindrang und darin das alte Todtenbuch beschädigte. Deshalb erneute Bruder Heinrich von Schmalkalden im folgenden Jahre das Todtenbuch; zum hinteren Deckblatt desselben aber ist ein Pergamentblatt verwandt, welches einst das letzte Blatt des alten Buches gewesen zu sein scheint, denn es hat augenscheinlich durch Wasser gelitten, und enthält oben noch einige Namen, welche einem Kamenzer Todtenbuche angehört haben müssen, in dem neuen Buche sich aber freilich nicht wiederfinden, weil hier wie überall, zugleich mit der Erneuerung die Mehrzahl der alten Namen beseitigt ist. Der Rest des Blattes war frei geblieben, und deshalb schon frühzeitig anderweitig benutzt. Nach einem breiten leer gelassenen Zwischenraum folgt hier das unten abgedruckte Stück, von einer Hand des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben.
Die zu Grunde liegende polnische Chronik kann wohl nur ein Exemplar der Krakauer Annalen gewesen sein, ähnlich denen, welche Łętowski im Anhang zu seinem Katalog Biskupów Krakowskich, Tom IV. 1853 herausgegeben hat. Die Jahre 965. 997. 1003. 1015 (dort 1016). 1067 (dort 1065). 1071. 1072. 1074. 1079. 1142. 1165. stimmen überein, und auch die Geschichte von der Krone findet sich in den ersten Krakauer Annalen p. 11. fast wörtlich ebenso, doch zum Jahre 978.
Die übrigen annalistischen Daten müssen wohl aus einem vollständigeren Exemplar der Annalen stammen, deren echte, auf gleichzeitigen Eintragungen beruhende Angaben aber schon früh nach trügerischen Schlüssen und Vermuthungen interpolirt sind.
Diese nur theilweise zuverlässigen Krakauer Aufzeichnungen waren aber auch schon vermengt mit einer anderen sehr trüben Quelle, nämlich jenem wunderlichen Machwerk, welches zuerst Kownacki in Warschau 1823, und dann Endlicher, Mon. Arpad. 1, 60 - 82 als Cronica Hungarorum herausgegeben hat. Darin ist Hartwici Vita Stephani regis Hungariae mit allerlei Fabeln vermengt und darin findet sich auch, aus leicht erkennbaren Motiven, sowohl die Be¬kehrung des Geisa durch seine angebliche polnische Gemahlin, welche die Verdienste der deutschen Gisela verdunkeln soll, als auch die ebenso absichtliche Erfindung von der Krone des h. Stephan, welche eigentlich dem Polenfürsten zugedacht sein sollte. Nur ist da ein Pabst Leo genannt, vielleicht um der chronologischen Schwierigkeit auszuweichen, da Sil¬vester von 999 - 1003 Pabst war, Mesco aber schon 992 starb. Doch damit trauen wir dem Verfasser vielleicht zu viel Kenntniss zu, und ein Leo hat um diese Zeit gar nicht existirt. Unser Autor nennt wie Hartwicus den Silvester, und nahm vermuthlich gar keinen Anstoss an der Chronologie, mit derselben harmlosen Unbefangenheit, mit welcher er in seinen Schluss¬worten S. Adalbert zum jüngeren Zeitgenossen des Apostels der Pommern, Bischofs Otto von Bamberg (1103 - 1139) macht. Ihn störte es auch nicht, dass Bischof Lambert von Kra¬kau von 995 - 1071 den Hirtenstab geführt haben sollte; wenigstens deutet nichts bei ihm darauf hin, dass er, wie später Dlugosch, zwei Lamberte angenommen hätte. Er fand vermuthlich die Zahl 995 schon vor, die aber ohne Zweifel eben jenem Geschichtchen ihren Ursprung verdankt: Lambert, der nach den Annalen 1061 Bischof wurde, musste doch vor jener Gesandtschaft an den Pabst sein Amt angetreten haben. Es ist aber von Friese, und nach ihm von Roepell (Gesch. Polens 1, 639ff.) vollständig erwiesen, dass vor dem Jahre 999, in welchem Boleslaw Krakau eroberte, an ein Bisthum daselbst nicht zu denken sei, und den ersten Bischof nennt Thietmar von Merseburg im Jahre 1000 Poppo. Der Verfasser der Chronica principum Poloniae hat nun p. 56 sowohl die Namen als die Jahreszahl 1000 aus seiner Chronik aufgenommen, denkt aber mit unbegreiflicher Verwirrung an Boleslaws Sohn Mesco II, obgleich seine eigenen Angaben über diese Herrscher ihn sofort widerlegen. Doch wir lassen nun die Aufzeichnung selbst folgen.

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